Handball-EMCo-Trainer schwärmt von Köln: „Einzigartig wird es durch die Menschen“

Erik Wudtke gestikuliert.

Erik Wudtke, hier am 30. April 2023, freut sich besonders auf die Stimmung in der Lanxess-Arena in Köln. 

Es dauert nicht mehr lang, bis die Handball-EM in Deutschland startet. Im Vorfeld des Turniers hat EXPRESS.de mit dem deutschen Co-Trainer Erik Wudtke gesprochen. Auch über das besondere Gefühl in Köln.

von Antonia Raabe (ra)

Das werden die Kölner Handball-Fans gerne hören! „Einzigartig wird es durch die Menschen“ – so beschreibt Erik Wudtke (51), Co-Trainer der deutschen Handball-Nationalmannschaft, die Stimmung bei Spielen in der Lanxess-Arena in Köln. 

Und nicht nur das: Der 51 Jahre alte Wahl-Kölner liebt noch viel mehr an der Domstadt, in der das DHB-Team nach der Vorrunde alle seine weiteren EM-Spiele bestreiten würde. Was genau das ist, hat er im Interview mit EXPRESS.de erzählt. Zudem hat er verraten, welche Eigenheiten Cheftrainer Alfred Gislason (64) hat, mit welchen Zielen die deutsche Mannschaft in das Turnier startet, was für Vorteile ein Heimturnier mit sich bringt und welche Nation die größten Chancen auf den Titel hat.  

Handball-EM: Deutschlands Co-Trainer freut sich besonders auf die Spiele in Köln

Wie groß ist die Vorfreude auf das anstehende Turnier?

Erik Wudtke: Die Vorfreude ist enorm, verständlicherweise, wenn man ein Turnier im eigenen Land spielen darf.

Worauf freuen Sie sich am meisten?

Erik Wudtke: Ich würde mich am meisten freuen, wenn wir es schaffen, viele und erfolgreiche Spiele in Köln in der Lanxess-Arena (Tickets gibt es hier) zu bestreiten. Weil ich die Atmosphäre dort einmalig finde.

Mit was für einer Stimmung ist in der Lanxess-Arena zu rechnen?

Erik Wudtke: Wir durften schon einige Erfahrungen in der Lanxess-Arena sammeln. Das Besondere daran ist einerseits, dass es enger ist als ein Fußballstadion und trotzdem unglaublich viele Zuschauerinnen und Zuschauer reinpassen. Einzigartig wird es dann durch die Menschen. In der Vergangenheit hatte das Publikum eine unglaubliche Sensibilität für den Moment. Dann, wenn wir es am meisten benötigt haben, war die Kulisse da. Ich hoffe, dass viele, die in der Vergangenheit dabei waren, auch wieder dabei sind.

Was ist für Sie das Besondere an der Stadt Köln? Abgesehen vom Handball …

Erik Wudtke: Ich lebe in Köln. Ich komme aus Aachen, bin also Immi. Das Besondere an Köln ist für mich, dass es hier eine tolle Mischung aus Tradition und Fortschritt gibt. Auf der einen Seite wird Tradition gepflegt, das bringt eine gewissen Bodenständigkeit mit sich. Dafür steht auch der Sport Handball. Hier können sich Menschen gut daran erinnern, was ihnen schon lange viel bedeutet hat. Auf der anderen Seite ist aber die Stadt auch voll mit Menschen, die sehr progressiv, modern und fortschrittlich sind. Die Mischung aus den gegensätzlichen Kulturen macht Köln sehr liebens- und lebenswert. Die Stadt lebt und profitiert mehr von den Menschen – abgesehen vom Kölner Dom – als von Gebäuden zum Beispiel.

Was ist Ihr Lieblingsort?

Erik Wudtke: Ganz klassisch: Ich gehe gerne ins Brauhaus. Das mag ich. Da ist es laut, aber nicht wegen der Musik, sondern weil die Leute sich unterhalten. Sie starren nicht aufs Handy, sondern sitzen sich gegenüber und können miteinander lachen oder auch seriöse Gespräche führen.

Eric Wudtke zeigtAlfred Gislason etwas.

Der deutsche Handball-Cheftrainer Alfred Gislason (r.) und Co-Trainer Eric Wudtke führen die deutsche Mannschaft durch die Heim-EM. 

Was braucht es neben der Atmosphäre in den Hallen, dass Deutschland ein erfolgreiches Turnier spielen kann?

Erik Wudtke: Diese Heim-EM ist ein Höhepunkt für jeden, der daran teilnimmt. Die große Kunst besteht darin, die beste Leistung genau zum richtigen Zeitpunkt abrufen zu können. Nur dann können wir uns unsere Träume erfüllen. Neben der Atmosphäre und dem unterstützenden Publikum, das wirklich dabei hilft – und das ist keine Floskel, man empfindet das unten tatsächlich so – braucht es die Fokussierung auf die eigenen Stärken und die Bereitschaft, sich stetig weiterzuentwickeln.

Was ist das deutsche Ziel für die EM?

Erik Wudtke: Es wäre vermessen, ein Ziel auszugeben, für das man noch acht Spiele spielen muss. Unser Ziel ist es, das erste Spiel gegen die Schweiz in Düsseldorf erfolgreich zu bestreiten. Das heißt aber nicht, dass man nicht den Traum haben kann, das Finale zu erreichen – oder sogar zu gewinnen. Aber Ziel und Traum muss man in dem Fall unterscheiden. 

Von Enttäuschung bis Titel

Die EM-Geschichte der deutschen Nationalmannschaft

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Oft wird vom Heimvorteil gesprochen. Ist die Heim-EM wirklich ein Vorteil?

Erik Wudtke: Der Heimvorteil bei Turnieren mit Profi-Mannschaften besteht darin, dass man sich in der Umgebung auskennt, dass man mit dem Umfeld vertraut ist, dass man weiß, dass Mitmenschen, Familie und Umfeld auch vor Ort sind. Das gibt den Spielern unheimlich viel und stärkt ihnen in Phasen den Rücken, in denen es nicht so gut läuft. Das heißt aber nicht, dass der Gast deshalb im Nachteil ist.

Die Spieler sind es gewohnt, dass nicht alle Zuschauerinnen und Zuschauer für sie sind. Sie sind aber erfahren genug, dass sie auch vor einem Publikum, das gegen sie ist, bestehen können. Der Heimvorteil ist ein zusätzlicher Bonus für die Heimmannschaft, aber nicht unbedingt ein Nachteil für den Gast. Er kann aber für uns zum Nachteil werden, wenn der Druck so groß wird, dass dieser sich leistungshemmend auswirkt. So weit muss es aber nicht kommen. Wenn Begeisterung und Energie aus dem Publikum aufs Spielfeld gelangen, dann können wir das gut gebrauchen, um den einen oder anderen sportlichen Rückstand zu verkleinern.

In welchen Bereichen sind denn andere Nationen besser?

Erik Wudtke: Einige Nationen haben eine größere individuelle Qualität. Die haben Spieler, die in Vereinsmannschaften Erfahrungen sammeln, die unsere Spieler nicht sammeln können. Die Spieler, die Dänemark nicht mitnimmt, könnten auch mit um die Medaille spielen. Da sind uns andere Nationen einen Schritt voraus. Umso mehr brauchen wir andere Möglichkeiten, diesen Rückstand aufzuholen.

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Wer sind die Favoriten?

Erik Wudtke: Die üblichen Verdächtigen, wie seit zehn Jahren: Frankreich, Schweden, Spanien, allen voran Dänemark, als Top-Favorit. Das waren in den vergangenen Jahren die Nationen, die sich die Titel geholt haben, egal ob EM, WM oder Olympische Spiele. Die haben das auch völlig verdient, als Favorit ins Turnier zu gehen. Sie haben eine Fülle von individuell starken Spielern.

Und wie ist Deutschland einzuschätzen?

Erik Wudtke: Dahinter kommen sieben, acht Nationen, die sich alle auf sehr ähnlichem Niveau bewegen. Individuell und auch als Team. Dazu zählt auch unsere Handball-Nationalmannschaft. Da kommt dann der Vorteil der Heim-EM dazu. Da kann man in einem Spiel schon einen der Top-Vier ärgern oder sogar besiegen.

Was sind Ihre Aufgaben als Co-Trainer?

Erik Wudtke: Das Besondere bei der deutschen Nationalmannschaft ist, dass wir einen isländischen Cheftrainer haben, der zwar gut Deutsch spricht, aber nicht dafür bekannt ist, wie ein Wasserfall zu reden. Demzufolge übernehme ich viele Bereiche in der Kommunikation mit den Spielern.

Im Vorfeld des Turniers ist es meine Aufgabe, gemeinsam mit dem Cheftrainer, die Gegner-Vorbereitung bzw. die Gegneranalyse zu gestalten. Wir erarbeiten dann den Plan, wie wir den Gegner bespielen wollen. Im Wettkampf selbst sind unsere Rollen unterschiedlich. Ich bin eher der analytische Typ, der auf der Bank sitzt und mit den Spielern Einzelgespräche über den Angriff oder die nächste Abwehrsequenz führt. Der Cheftrainer steht und ist wesentlich aktiver in der Kommunikation mit der ganzen Gruppe.

Erik Wudtke und Juri Knorr am Seitenrand.

Der analytische Typ: Erik Wudtke (l.) zeigt Spieler Juri Knorr in einem Spiel am 12. März 2023 etwas auf der Taktik-Tafel. 

Was für ein Gefühl für die EM herrscht aktuell?

Erik Wudtke: Gerade sind die Spieler noch im Tagesgeschäft mit ihren Bundesligaklubs. Natürlich schwingt im Hintergrund eine Vorfreude mit, aber der Fokus ist noch auf die anstehenden Ligaspiele gerichtet. Das Gefühl für die EM wird erst nach Weihnachten entstehen. Wir Trainer sind nicht so ins Alltagsgeschäft der Spieler involviert, deswegen ist bei uns das Gefühl jetzt schon stärker da.

Mit was für einem Gefühl startet das Team dann in das Turnier?

Erik Wudtke: Mit dem Gefühl, es kaum abwarten zu können, dem Gegner endlich zu zeigen, wie gut wir uns vorbereitet haben und wie gut wir Handball spielen können. Das Gefühl der Ungeduld, gepaart mit einer Energie, endlich rauszudürfen und vor tollem Publikum in Düsseldorf, Berlin und Köln sein Bestes zu zeigen und den Leuten ein Spektakel zu bieten.