WahlenGewaltserie gegen Politiker: Debatte über schärfere Strafen

Andreas Hollstein (CDU) steht bei den Kommunalwahlen neben einem seiner Wahlplakate.

Andreas Hollstein (CDU) steht bei den Kommunalwahlen neben einem seiner Wahlplakate.

Angriffe auf Politikerinnen und Politiker häufen sich wieder. Nun wird debattiert, wie Mandatsträger und Ehrenamtler besser geschützt werden können.

Angesichts der Serie von Angriffen auf Politikerinnen und Politiker sowie Ehrenamtler verschiedener Parteien ist eine Debatte über schärfere Strafen entbrannt. Der ehemalige Bürgermeister des sauerländischen Altena, Andreas Hollstein (CDU), hält härtere Strafen für Angriffe auf Politiker für wenig zielführend. „Also ich glaube, wir brauchen keine neuen Straftatbestände“, sagte Hollstein, der 2017 bei einer Messerattacke verletzt wurde, am Freitag im ARD-„Morgenmagazin“.

Nach dem brutalen Angriff auf den SPD-Politiker Matthias Ecke in Dresden hatten sich die Innenminister von Bund und Ländern dafür ausgesprochen, Angriffe auf Politiker und Wahlhelfer härter zu bestrafen.

Im Jahr 2018 habe die damalige schwarz-rote Koalition bereits einiges verschärft, sagte Hollstein. Er glaube aber, dass das Problem damit nicht in den Griff zu bekommen sei. Denn die Gewalt richte sich genauso gegen Rettungsdienste, Feuerwehr und Polizei. Das sei ein gesellschaftlicher Prozess. Der Lokalpolitik werde kein Gefallen damit getan, wenn man ihr eine besondere Rolle beimesse. Vielmehr müsse die Gesellschaft über den Umgang miteinander und mehr Respekt reden.

Streiten, ohne zu beleidigen

Hollstein sprach sich als einen ersten Schritt auch für mehr Sachlichkeit auch „in der großen Politik“ aus. „Und ich glaube, man kann messerscharf streiten, ohne andere zu beleidigen oder an ihre Persönlichkeit zu gehen oder sie herabzuwürdigen“, betonte er. Denn das sei „der erste Schritt dafür, dass man Menschen dann auch zu Angriffen freigibt“.

Hollstein war im November 2017 von einem Mann in einem Imbiss in seiner Heimatstadt mit einem Messer bedroht und leicht am Hals verletzt worden. Der 56-Jährige wurde später wegen gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt.

Hollstein betonte, für ihn sei nach dem Angriff klar gewesen, dass er weiter mache. Seine Familie habe das mitgetragen. „Ich habe das aus Überzeugung und mit Herzblut gemacht“, sagte er. „Wenn man das aushält, dann darf man keinen Zentimeter den Antidemokraten Platz geben.“ Hollstein trat bei der Kommunalwahl 2020 als CDU-Kandidat für das Amt des Oberbürgermeisters in Dortmund an, unterlag aber.

Immer wieder wurden in den vergangenen Tagen Angriffe auf Politikerinnen und Politiker verschiedener Parteien publik: In Dresden wurde der SPD-Politiker Ecke zusammengeschlagen, in Berlin wurde nach einer Attacke auf Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) ein Verdächtiger vorläufig in der Psychiatrie untergebracht. In Essen wurden die zwei Grünen-Politiker Kai Gehring und Rolf Fliß angegriffen. Auch AfD-Politiker waren Ziele von Attacken.

Sicherheitssprechstunden und Notrufnummern

Die nordrhein-westfälische SPD-Landtagsfraktion forderte von der Landesregierung weitere konkrete Sicherheitsmaßnahmen für Ehrenamtler und Mandatsträger. So schlägt die Fraktion die Einrichtung einer Ansprechstelle im Innenministerium sowie einen Sondermeldedienst beim Landeskriminalamt (LKA) im Vorfeld von Wahlen vor. In Sicherheitssprechstunden bei der Polizei sollten ehrenamtlich engagierte Personen, Wahlhelfer und Politiker stärker für Gefährdungen sensibilisiert werden. Für besonders gefährdete Personen solle ein „priorisierter Notruf“ eingerichtet werden.

Wahlveranstaltungen und Wahlkreisbüros sollten nach Ansicht der SPD im Vorfeld von Wahlen entsprechend eigener Lageeinschätzungen durch die Polizeidienststellen geschützt werden. Außerdem solle eine zentrale Beratungshotline für sämtliche durch politisch motivierte Gewalt gefährdete Personen eingerichtet werden. Verfassungsschutz, Staatsschutz und Justiz müssten gestärkt werden, um politisch motivierte Übergriffe konsequent bekämpfen und ahnden zu können.

Die innenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Christina Kampmann, kritisierte Landesinnenminister Herbert Reul (CDU), der in Interviews erklärt hatte, es könnten nicht alle Tausende Politiker einzeln beobachtet werden. Reul „sollte sich lieber fragen, was er beitragen kann, als immer nur zu betonen, was alles nicht möglich ist“, sagte Kampmann. „Es geht hier um nichts weniger als den Schutz unserer Demokratie und all derjenigen, die sich täglich für sie einbringen und einsetzen“.

Auch in Westfalen kam es zu Zwischenfällen. So erhielt die stellvertretende Bürgermeisterin von Gütersloh, Gitte Trostmann (Grüne), vor einigen Tagen über das Kontaktformular der Stadt eine Botschaft beleidigenden Inhalts, wie sie der „Neuen Westfälischen“ (NW) schilderte. Schon im vergangenen Herbst sei sie außerdem von einem Mann beschimpft worden. Derzeit führten die Grünen in Gütersloh eine gerichtliche Auseinandersetzung mit einer Person, die sich regelmäßig mit bedrohlichen Schreiben an die Geschäftsstelle richte.

Die NW zitierte zudem den Gütersloher SPD-Kommunalpolitiker Stefan Schneidt, der von einer bedrohlichen Erfahrung im Landtagswahlkampf 2022 berichtete. Haustür-Wahlkämpfe würden nicht mehr allein erledigt, man plakatiere mittlerweile nur noch in Gruppen. Zugleich kritisierte er den Umgang politischer Parteien untereinander - es gebe „oft Sprüche unter der Gürtellinie“. Der Vize-Vorsitzende der Kreis-SPD appellierte: „Ich glaube, dass alle politischen Parteien gut beraten wären, wenn man rhetorisch mal etwas zurückfährt und nicht aus jeder Fliege einen Elefanten macht.“ (dpa)